Die ehem. GESOBAU-Zentrale in Reinickendorf: Innerhalb von drei Jahren entstanden aus ca. 4.500 qm Bürofläche 66 neue Wohnungen.

Umnutzung von Berliner Büros zu Wohnungen


Büro Wohnen
08.04.2024 Autor/en: Nicole Tietze

Nach Jahren des Booms auf dem Berliner Büromarkt stockt die Nachfrage, die Leerstände steigen. Zugleich fehlen Wohnungen. Für den Marktbericht der Berliner Sparkasse haben wir untersucht, ob die Umnutzung ein Ausweg ist.

Die wirtschaftliche Situation ist unsicher, viele Unternehmen verschieben die Anmietung neuer Flächen. Durch ein hohes Fertigstellungsvolumen steigen die vakanten Büroflächen: Aktuell stehen knapp 4,9 % der Büroflächen in der Hauptstadt leer, mit weiter steigender Tendenz. Auf der anderen Seite werden dringend Flächen gesucht, die sich zum Wohnen eignen; im Gegensatz zum Büromarkt ist die Nachfrage im Wohnungsmarkt weiterhin hoch. Dennoch sind Projektentwickler zurückhaltend beim Bau von neuen Wohnungen, hier machen sich die steigenden Bau- und Finanzierungskosten bemerkbar. Der Wohnungsmarkt benötigt folglich neue Wege – vielleicht in leeren Büros? Die kurze Antwort vorweg: Leerstehende Büros sind nur sehr bedingt ein Ausweg.

Die Herausforderungen betreffen u.a. den rechtlichen Rahmen, die technischen und vor allem die wirtschaftlichen Aspekte. Dabei ist, zumindest theoretisch, das Potenzial für Berlin groß:  In älteren Bürogebäuden (außerhalb des S-Bahn-Rings) könnten nach unseren Berechnungen ca.  2 Mio. qm oder umgerechnet rund 30.000 Wohnungen entstehen.

Gerade in älteren Büros schlummert vermeintlich ein sehr großes Potenzial für den Wohnungsmarkt. Ungefähr 80 % der Berliner Büroflächen wurden vor 2000 errichtet. Viele haben eine schlechte CO2-Bilanz. Unternehmen, die sich bereits oder auch zukünftig Kriterien der Nachhaltigkeit verpflichten, können diese Flächen dann nicht mehr unsaniert anmieten. Zudem würde ein Objekt bei einer Umnutzung weiter genutzt anstatt abgerissen, neben der Einsparung von CO2 kann so Müll vermieden werden.

Rechtliche Aspekte

Die Umwandlung der Nutzung einer gewerblich genutzten Immobilie erfordert eine Genehmigung gemäß Bauordnung, da eine Wohnnutzung nur in bestimmten Zonen erlaubt ist. Ein vorhandener qualifizierter Bebauungsplan kann darüber Auskunft geben, ob eine solche Umnutzung möglich ist. Im Zuge der Umnutzung sind dann nicht nur die Bundes-, sondern auch Landes- und kommunalen Vorschriften zu beachten. Neben einer Baugenehmigung spielen auch die relevanten DIN-Normen eine Rolle.

Technische Aspekte

Grundsätzlich gibt es nur wenige bauliche Situationen, die eine Umnutzung generell ausschließen. Der Zustand einer Immobilie und damit einhergehend die bauliche Situation sowie technische Aspekte spielen im Zuge einer Umnutzung eine entscheidende Rolle, da Bürogebäude naturgemäß anders als Wohnimmobilien konzipiert sind. So unterscheiden sich nicht nur die Grundrisse; Büros besitzen auch andere Funktionseinheiten (z. B. Lobby).

Bei einer Umnutzung beachtet werden müssen weiterhin die Statik (bspw. beim Anbringen einer Dämmung), Lüftungssysteme und verschärfte Brandschutz-Anforderungen. Weitere Punkte sind Deckenhöhen, Fluchtwege, Sanitäranlagen etc.

Lage

Unternehmen, die ein repräsentatives Gebäude benötigen, sind in der Regel in zentralen Lagen angesiedelt. Im Gegensatz dazu liegen Back-Office-Einheiten größtenteils in der Peripherie. Mit der Lage sind immer auch verschiedene Standortgegebenheiten verbunden. In der Peripherie sind diese oftmals schlechter einzustufen als in der City. Zentral gelegene Gebäude werden aufgrund ihrer sehr guten Mikrostandorteigenschaften bspw. in Bezug auf die Erreichbarkeit und die Versorgungsinfrastruktur bevorzugt, sind jedoch meist auch einer höheren Lärmbelastung ausgesetzt. Zudem konkurrieren die Standorte mit der Nutzung Büro, da hier aktuell weiterhin eine vergleichsweise hohe Nachfrage besteht. Die hier aufgerufenen Mietpreise machen eine Umnutzung nur schwer vorstellbar.

Kosten

Laut aktueller Recherchen liegen die durchschnittlichen Baukosten für den Umbau von Büro- zu Wohnflächen zwischen 1.500 und 2.500 Euro/qm. Addiert man weitere Kosten hinzu (u. a. Baunebenkosten, weitere Kostengruppen), dann sind 1.000 Euro „on top“ nicht unüblich. Auch der Kaufpreis der Immobilie und die Grunderwerbsteuer müssen eingeplant werden. Trotz der beschriebenen Marktlage müssen die Anforderungen (rechtlich bzw. technisch) eingehalten werden – eine Umnutzung rechnet sich so am Ende nicht immer.

Fazit: komplex und kaum wirtschaftlich

Im Gegensatz etwa zu Frankfurt/Main findet in Berlin noch keine großflächige Umnutzung eines Quartiers statt. So hatte sich im Berliner Büromarkt die zuletzt rasante wirtschaftliche Entwicklung in stark steigenden Bürobeschäftigtenzahlen und sinkendem Leerstand widergespiegelt. Auch treffen moderne Büroobjekte in der City weiterhin auf hohe Nachfrage – die Spitzenmietpreise stützen diese Beobachtung.

Im Großraum Berlin gibt es durchaus Standorte, die sich für eine Umnutzung eignen. Neben den rechtlichen und technischen Aspekten sowie der Lage ist die Wirtschaftlichkeit am Ende das ausschlaggebende Kriterium, ob die Nutzungsänderung umgesetzt wird. Dabei sind die wirtschaftlichen Spielräume eng, unvorhersehbare bauliche Eigenschaften der Immobilie können die Umnutzung in Gefahr bringen. Ein exaktes Kostenmonitoring ist wie bei jeder Entwicklung unerlässlich.

Nicht nur die Marktgegebenheiten, sondern auch fehlende Fachleute, lange und teure Genehmigungsprozesse, unvorhersehbare Gegebenheiten an der Immobilie, Zinsänderungs- und Finanzierungsrisiken sowie das Finden der passenden Lage machen Umnutzungen zu einem komplexen Unterfangen.

In Berlin scheinen Nutzungsänderungen bisher eine Nische mit vielen Herausforderungen zu sein. Die hohen Kosten bei der Umnutzung führen zu hohen Mietpreisen. Sollte dennoch eine Nutzungsänderung durchgeführt werden, sind privatwirtschaftliche Entwickler und Investoren aufgrund der geringeren rechtlichen Auflagen bislang eher daran interessiert, „gewerbliches Wohnen“ zu realisieren. Die Umnutzung in „klassisches“ Wohnen wird in Berlin derzeit von staatlichen oder kommunalen Akteuren geprägt.

 

Hinweis: Den Marktbericht können Sie kostenfrei auf der Website der Berliner Sparkasse herunterladen.

Ansprechpartnerin: Nicole Tietze, Senior Consultant im Bereich Büroimmobilien, tietze@bulwiengesa.de

 

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