Novellierung des Wertermittlungsrechts verzögert
Das Regelwerk der Immobilienwertermittlung in Deutschland wird novelliert. Eigentlich sollte die ImmoWertV Anfang 2021 in Kraft treten. Weil dringend gebotene Innovationen fehlten, verhinderte das die Fachöffentlichkeit mit massiven Protesten. Der Geschäftsführer der bulwiengesa appraisal ist am Verfahren beteiligt und gibt Einblick.
Die novellierte Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) sollte ursprünglich gemeinsam mit den Muster-Anwendungshinweisen (ImmoWertA) Anfang des Jahres 2021 in Kraft treten. Doch nachdem das federführende Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) seinen Entwurf veröffentlicht hatte, wurde von der Fachöffentlichkeit massiv Kritik geäußert. Nun rechnet das BMI mit dem Inkrafttreten der novellierten ImmoWertV und der ImmoWertA erst zum 01.01.2022.
Ziel des BMI ist, die Ermittlung der Verkehrswerte und der „für die Wertermittlung erforderlichen Daten“ bundesweit nach einheitlichen Grundsätzen zu regeln. Dies wurde durch das Grundsteuerreformgesetz notwendig, da für steuerliche Bewertungen insbesondere die Bodenrichtwertermittlung bundesweit einheitlich erfolgen muss. Problematisch ist dabei, dass die bestehenden Richtlinien nicht verbindlich sind, sondern lediglich zur Anwendung empfohlen werden. Mehrere Bundesländer haben die bereits vorhandenen Richtlinien teilweise für verbindlich erklärt, aber nicht alle. Insofern bestehen keine bundesweit einheitlichen Grundsätze bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte und der sonstigen für die Wertermittlung erforderlich Daten, was die Wertermittlung zu steuerlichen Zwecken erheblich erschwert.
Aktuell ist die ImmoWertV 2010 gültig und neben ihr die folgenden Einzelrichtlinien: Bodenrichtwertrichtlinie BRW-RL, Sachwertrichtlinie SW-RL, Vergleichswertrichtlinie VW-RL und die Ertragswertrichtlinie EW-RL. Zusätzlich hat noch die Wertermittlungsrichtlinie aus 2006 (WertR 2006) Gültigkeit, sofern sie den vorgenannten Einzelrichtlinien nicht widerspricht. Dieses Regelwerk soll durch eine vollständig überarbeitete ImmoWertV und die ergänzenden Anwendungshinweise (ImmoWertA) abgelöst werden. Jedoch sind laut BMI inhaltliche Änderungen an den bisherigen Vorgaben der Richtlinien und der ImmoWertV nur in sehr begrenztem Umfang vorgesehen. Und genau darin sehen viele derjenigen, die Wertermittlungsgutachten erstellen, das Problem: Wichtige und dringend gebotene Innovationen werden nicht eingeleitet.
Das vom BMI vorgesehene Verfahren läuft zweistufig ab. In der auch „Jedermann-Beteiligung“ genannten ersten Beteiligungsphase im Sommer 2020 hatte die gesamte Fachöffentlichkeit die Möglichkeit zur Stellungnahme. Beteiligt haben sich Länder, kommunale Spitzenverbände, Verbände und auch zahlreiche natürliche und juristische Personen.
Die Rückmeldungen waren in der Summe und der Intensität der Kritikpunkte so heftig und umfangreich, dass das BMI kurz darauf auf seiner Homepage das ursprüngliche Datum des Inkrafttretens der ImmoWertV und der ImmoWertA, den 01.01.2021, revidieren musste. In der Stellungnahme der RICS, an der der Autor dieses Textes wesentlich beteiligt war, wurde unter anderem kritisiert, die steuerlichen Aspekte in den Vordergrund gestellt sowie die Chance zur Anpassung an internationale Standards vergeben zu haben. Defizite im Entwurf wurden auch in der fehlenden Schaffung von Markttransparenz gesehen und im ebenso fehlenden intensiveren Austausch mit der Praxis. Ein wesentlicher Kernpunkt einer novellierten Verordnung sollte laut RICS außerdem sein, die Verbindlichkeit genau zu klären: Bislang ist es nicht eindeutig, ob das neue Regelwerk lediglich von Bundes-, Landesbehörden und den Gutachterausschüssen einzuhalten ist, oder auch von unabhängigen Wertermittlungsgesellschaften. Es gibt zwar im Referentenentwurf der ImmoWertV Hinweise, dass die novellierte ImmoWertV „vor allem für private Grundstückssachverständige gar keine unmittelbare Verbindlichkeit entfaltet (faktischer Adressatenkreis)“. Fraglich bleibt aber, wieso diese wesentliche Aussage nicht zu Beginn der ImmoWertV erfolgt – sondern unter einem Punkt, wo sie nicht zu erwarten wäre, nämlich unter einem Absatz, der von der Eignung der Daten handelt.
Darüber hinaus sollten weitere Wertermittlungsverfahren zugelassen werden, die nicht nur international gebräuchlich sind, sondern auch im deutschen Immobilienmarkt seit langem dem etablierten Stand der Technik entsprechen. Um mehr Markttransparenz zu schaffen, müssten die Gutachterausschüsse finanziell, personell und organisatorisch gestärkt werden und eine zentrale bundeseinheitliche digitale Kaufpreissammlung aufgebaut werden.
Einzigartig in der deutschen Immobilienwirtschaft bislang ist eine von der RICS initiierte gemeinsame Pressemitteilung zahlreicher Verbände, in der (in alphabetischer Reihenfolge) BDGS, BIIS, BVS, gif, ivd, RICS und ZIA klarstellen, dass der Entwurf der ImmoWertV keine praxistaugliche Lösung darstellt (s.u.). Vielmehr regen die Verbände an, die vom BMI selbst im Referentenentwurf als Alternative dargestellte Möglichkeit einer „kleinen Lösung“ für die steuerliche Bewertung umzusetzen. Dies beinhaltet, zunächst lediglich die Bodenrichtwertrichtlinie in die bestehende ImmoWertV zu integrieren und ihr dadurch bundesweite Verbindlichkeit zu verleihen. Anschließend, so die Verbände weiter, sollte ein runder Tisch mit Experten aus den beteiligten Fachverbänden einberufen werden, um sinnvolle Lösungen für die tatsächlichen Herausforderungen im Bereich der Marktwertermittlung zu erarbeiten.
Für den 10. März 2021 ist eine Anhörung der Länder und Verbände im Online-Format vorgesehen. Das BMI rechnet damit, dass das Kabinett am 14. April 2021 den Entwurf der ImmoWertV 2021 beschließt und dass die neuen Regelungen am 01. Januar 2022 in Kraft treten.
Ansprechpartner:
Marcus Badmann FRICS
Geschäftsführer der bulwiengesa appraisal GmbH und Vorstandsmitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) Deutschland
badmann@bulwiengesa-appraisal.de
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