Ein Riese geht in die Provinz
Als sich abzeichnete, dass Tesla seine Fabrik im Brandenburgischen Grünheide bauen würde, setzte die Goldgräberstimmung ein. Doch hat die Ansiedlung wirklich den erwarteten Immobilienboom ausgelöst? Wir haben die Preis- und Nachfrageentwicklung für Grundstücke sowie neugebaute Miet- und Eigentumswohnungen untersucht.
Die sogenannte Gigafactory Berlin-Brandenburg des US-amerikanischen E-Automobilherstellers Tesla ist die erste ihrer Art auf dem europäischen Festland. Das Projekt gilt als eines der wichtigsten Industrievorhaben in Ostdeutschland seit mehr als 20 Jahren.
Die Fabrik erstreckt sich über eine Gesamtfläche von rund 300 ha und liegt rund 35 km südöstlich vom Zentrum Berlins – die „Provinz“ ist also vielmehr beste Speckgürtel-Lage, wenngleich lange weniger beachtet. Die offizielle Ankündigung des Baus erfolgte im November 2019. Bereits Anfang 2020 begann der Bau der Fabrik. Viele Teilschritte des Baus wurden bereits ohne endgültige Baugenehmigung auf eigenes Rückbaurisiko angegangen. Die gesamte Realisierung erfolgte in einer Rekordzeit von rund zwei Jahren. Seit 22.03.2022 werden in Grünheide Tesla-Autos „Made in Brandenburg“ ausgeliefert.
Preisboom ohne Nachfrageexplosion
bulwiengesa nahm die Tesla-Ansiedlung zum Anlass, um die Preis- und Nachfrageentwicklung für Grundstücke sowie neugebaute Miet- und Eigentumswohnungen zu untersuchen. Es wurden Angebotsdaten von Immobilienscout im Zeitraum von 2017 bis 2021 im Berliner und Brandenburger Umfeld von Grünheide analysiert.
Die Entwicklung der Grundstückspreise pro Quadratmeter ist von einem außergewöhnlichen Anstieg um knapp 40 % im Jahr 2019 verglichen mit dem Vorjahr geprägt. Mit ersten Gerüchte Ende 2018 setzte die Goldgräberstimmung ein. Auch in den Folgejahren waren die Zuwächse überdurchschnittlich, wobei neben der Autofabrik auch der Sub-Urbanisierungstrend im Zuge der Corona-Pandemie eine Rolle spielte.
Das Preisniveau von aktuell rund 400 Euro/qm des ansonsten strukturschwachen Osten Brandenburgs passte sich innerhalb von fünf Jahren an das Level der anderen Speckgürtelbereiche an und hat sich mehr als verdoppelt.
Die Kaufpreise für Eigentumswohnung in der Umgebung der Fabrik legten durchschnittlich um 10 % zu. Zahlreiche Wasserlagen in der Umgebung und das gesuchte Köpenick trugen dazu bei, dass die Preise aktuell bei durchschnittlich rund 6.000 Euro/qm liegen. Für Top-Produkte am Wasser werden auch mehr als 10.000 Euro/qm verlangt.
Die Mieten für Neubauwohnungen stiegen im Schnitt nur um rund 5 % an. Der höchste Zuwachs fand erst 2021 statt, als die Eröffnung des Fabrikstandorts absehbar war. Mieten von im Mittel 14 Euro/qm lassen den Markt auch für Globalinvestoren interessant erscheinen. So wurden beispielweise auch Doppel- bzw. Reihenhäuser zur Miete in Erkner und Rüdersdorf entwickelt, die an institutionelle Investoren verkauft wurden.
Nachfrageeinbruch durch Angebotsanstieg
Mit dem Anstieg der Anzahl der Angebote sank jedoch auch aufgrund des Preisanstiegs die Nachfrage gemessen an Hits per Day pro Angebot ab 2019. Desweiteren ist sicher auch die Struktur des Arbeitsplatzangebots in Grünheide entscheidend. Mitarbeiter im Montageprozess mit eher geringeren Einkommen werden einen längeren Pendelweg von günstigeren Wohnstandorten in Kauf nehmen.
Hochqualifizierte Beschäftigte wie bspw. Ingenieure, Software-Entwickler oder das Management arbeiten immer mehr auf Remote-Basis im Homeoffice und können weiter in ihrem Berliner Kiez wohnen bleiben. Sie müssen daher nicht unbedingt in Fabriknähe ziehen, sondern pendeln wenige Tage pro Woche nach Grünheide.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Tesla-Ansiedlung teils spekulativ einen Preisboom ausgelöst hat, der aber nicht durch eine höhere Nachfrage direkt vor Ort begründet ist. Vermehrt finden wohnungswirtschaftliche Projektentwicklungen im Umfeld der Autofabrik statt, jedoch eher als Nachholeffekt in einer zuvor wenig beachteten Region des Berliner Speckgürtels.
Ansprechpartner: André Adami, Bereichsleiter Wohnen, adami@bulwiengesa.de
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