Comeback statt Krise: Warum der deutsche Einzelhandel wieder wächst
Seit 2018 analysiert bulwiengesa kontinuierlich die Entwicklung der wichtigsten Einzelhandelsbranchen für den HAHN Retail Real Estate Report. Die achte Ausgabe unserer Kooperation zeigt: Der deutsche Einzelhandel durchlebt einen tiefgreifenden Strukturwandel – mit klaren Gewinnern und Verlierern.
Expansionswelle nach Jahren der Zurückhaltung
Nach den zurückliegenden Krisenjahren kehrt der deutsche Einzelhandel zu offensiver Wachstumsstrategie zurück. 61 Prozent der Einzelhändler planen bis Jahresende eine Ausweitung ihres Filialnetzes – der höchste Wert seit sieben Jahren. Gleichzeitig ist der Anteil der Unternehmen, die Standorte schließen wollen, auf nur noch 17 Prozent gesunken.
Diese Zahlen unterstreichen eine fundamentale Verschiebung in der Branchenstrategie: Statt defensiver Konsolidierung steht wieder offensives Wachstum im Fokus.
Lebensmittel- und Drogeriehandel: Die Erfolgsgeschichte setzt sich fort
Unsere detaillierte Analyse des Food- und Near-Food-Segments zeigt die anhaltende Dynamik dieser Bereiche. Der Lebensmitteleinzelhandel wuchs 2024 nominal um 3,0 Prozent bei einem realen Plus von 0,9 Prozent. Die Gesamtausgaben für Lebensmittel und Drogeriewaren erreichten erstmals knapp 300 Milliarden Euro.
Drogeriemärkte erweisen sich als die klaren Gewinner des Strukturwandels. Sie steigerten ihren Marktanteil auf 10,6 Prozent und beschleunigten ihre Expansion sogar: Mit 65 neuen Standorten wuchsen sie deutlich dynamischer als im Vorjahr (+33 Standorte). Die Gesamtzahl erreichte 5.258 Märkte.
Bemerkenswert ist die Verschiebung zwischen den Betriebstypen: Discounter büßten erstmals seit Längerem Marktanteile ein (42,0 vs. 42,4 Prozent), während Verbrauchermärkte auf 24,6 Prozent zulegten. Die SB-Warenhäuser schrumpften auf nur noch 8,4 Prozent – der am schnellsten rückläufige Betriebstyp.
Bei den Unternehmen behält EDEKA mit 78,3 Milliarden Euro die Spitzenposition (+2,6 Prozent), gefolgt von der Schwarz Gruppe (+2,3 Prozent). REWE erzielte mit +4,5 Prozent das höchste Wachstum unter den Top 3.
Non-Food: Spezialisierte Discounter boomen, Traditioneller Handel kämpft
Der Nonfood-Discounter-Markt erlebt eine bemerkenswerte Transformation. Spezialisierte Anbieter wie Action, Tedi und Woolworth profitieren sowohl vom Rückgang der SB-Warenhäuser als auch von der Verlagerung der Nonfood-Einkäufe weg von den Lebensmitteldiscountern.
Die Zahlen sind eindeutig: Die Ausgaben bei spezialisierten Discountern stiegen von 2,6 auf 3,2 Milliarden Euro (+23 Prozent), während Aldi und Lidl von 4,0 auf 3,5 Milliarden Euro (-12,5 Prozent) verloren.
Action eröffnete im Juni 2025 seinen 600. deutschen Markt, Tedi überschritt erstmals die Drei-Milliarden-Euro-Umsatzmarke und plant bis 2029 europaweit 5.000 Standorte. Woolworth wuchs auf über 800 deutsche Filialen und überschritt die Ein-Milliarde-Euro-Umsatzmarke.
Textilhandel: Polarisierung zwischen Gewinnern und Verlierern
Der deutsche Textileinzelhandel blieb 2024 mit 67,5 Milliarden Euro stabil, zeigt aber deutliche strukturelle Verschiebungen. Während der stationäre Fachhandel um 0,9 Prozent sank, wuchs der Online-Handel um 1,6 Prozent. Überraschend: Der Lebensmittelhandel erreichte 5 Prozent Marktanteil bei Textilien (+4,5 Prozent) und ist damit der dynamischste Vertriebskanal.
Die Branche zeigt sich ambivalent: Inditex/Zara erzielte 7,5 Prozent Umsatzwachstum, New Yorker einen Rekordumsatz von 3,8 Milliarden Euro. Demgegenüber kämpfen mittelständische Standardanbieter mit enormem Druck, was sich in anhaltend hohen Insolvenzraten zeigt.
Sport- und Elektronikhandel: Konsolidierung und neue Strategien
Nach den Corona-Boomjahren normalisiert sich der Sport- und Outdoorhandel bei 10,7 Milliarden Euro Umsatz (-2,0 Prozent). Decathlon festigte seine Marktstellung mit 1,17 Milliarden Euro (+2,1 Prozent) und plant 60 neue Filialen bis 2027.
Der Elektrohandel verzeichnete einen Umsatzrückgang von etwa 1 Prozent auf circa 75 Milliarden Euro. Ceconomy (MediaMarkt/Saturn) bleibt mit 11,66 Milliarden Euro Branchenprimus, während Coolblue die beste Wachstumsstory erzählt und Deutschland bis 2029 zum umsatzgrößten Markt ausbauen möchte.
Investoren kehren zurück – Fokus auf Nahversorgung
Parallel zur operativen Erholung im Einzelhandel stabilisiert sich auch der Investmentmarkt. 39 Prozent der institutionellen Investoren planen wieder Zukäufe bei Handelsimmobilien – ein deutlicher Anstieg gegenüber 27 Prozent im Vorjahr.
Die Präferenz liegt klar auf Nahversorgungsimmobilien: lebensmittelgeankerte Fachmarktzentren, Supermärkte und Discounter, Verbrauchermärkte sowie SB-Warenhäuser stehen ganz oben auf der Wunschliste. Diese Formate überzeugen durch ein attraktives Rendite-Risiko-Profil.
Fazit: Transformation statt Niedergang
Unsere achte Branchenanalyse für den HAHN Report zeigt: Der deutsche Einzelhandel befindet sich nicht im Niedergang, sondern in einer fundamentalen Transformation. Erfolg haben Unternehmen, die sich spezialisieren, kundennah positionieren und konsequent in ihre Formate investieren.
Die Gewinner sind klar erkennbar: Drogeriemärkte, spezialisierte Discounter und digital-affine Anbieter mit starkem stationärem Fundament. Die Verlierer finden sich vor allem unter den traditionellen, wenig differenzierten Anbietern.
E-Commerce-Entwicklung: Der Onlinehandel normalisiert sich mit einem prognostizierten Wachstum von 4,1 Prozent auf 92,4 Milliarden Euro. Der E-Commerce-Anteil steigt auf 13,6 Prozent. Seit 2007 wuchs der Online-Umsatz um beeindruckende 754 Prozent bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 12,6 Prozent.
Smart Stores erobern den ländlichen Raum: Seit 2019 expandierten Smart Store-Konzepte auf rund 600 Märkte (Stand Mitte 2025). Diese 24/7-Märkte mit Self-Checkout oder Grab & Go-Technologie erschließen wirtschaftlich rentabel nachfrageschwache ländliche Standorte.
Hinweis: Auf Wunsch senden wir Ihnen den Report auch in der Printversion zu. Sprechen Sie uns gerne an. Weitere Infos auch auf der Website der Hahn AG.
Ansprechpartner: Dr. Joseph Frechen, Bereichsleiter Einzelhandel und Niederlassungsleiter Hamburg, joseph.frechen@bulwiengesa.de und Lena Nanninga, Senior Consultant Einzelhandel, lena.nanninga@bulwiengesa.de.


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