Saniert oder unsaniert kaufen? Gerade in Eigentümergemeinschaften kann es schwierig werden, Sanierungen durchzusetzen.

Keine Preiswende


Wohnen
20.04.2023 Autor/en: Sven Carstensen

Steigende Mieten, unsanierte Eigentumswohnungen, träge Grundstückspreise und Omas Geld: Für ein Interview mit dem Handelsblatt hat Sven Carstensen die Preisentwicklungen am deutschen Immobilienmarkt analysiert. Hier die Zusammenfassung.

Auch wenn seit letztem Sommer die Kaufpreise am deutschen Immobilienmarkt sinken – eine Wende mit wieder steigenden Preisen erwarten wir nicht. Wir sehen derzeit lediglich eine gewisse Stabilisierung, weil Käufer davon ausgehen, dass der Großteil der Zinssteigerungen bereits hinter uns liegt.

Allerdings wirken sich die aktuellen Krisen unterschiedlich auf die einzelnen Segmente aus. So sinken am Gewerbeimmobilienmarkt die Preise teilweise um 20 bis 25 Prozent. Bei Eigentumswohnungen sorgt die Knappheit dagegen dafür, dass dieser Effekt weitgehend ausbleibt. Die Preise werden im Neubau nicht billiger werden. Lediglich ein paar laufende Bauprojekte könnten in Schieflage geraten. Im Wohnungsbestand hängt der Preis zunehmend vom energetischen Zustand und der Lage der Gebäude ab. Die Investoren ziehen vom Angebotspreis ab, was sie die Sanierung der Häuser kosten wird – und diese Summen fallen immer höher aus. 

Grundsätzlich gilt für Käufer: Derzeit ist eigene Liquidität Trumpf. Und wer die hat, ist in einer guten Verhandlungsposition. Wenn jemand mit Omas Geld unterwegs ist und kaum Fremdkapital aufnehmen muss, kann man die eine oder andere Gelegenheit finden. Einige Bauträger und Projektentwickler werden sicher unter Druck geraten und deshalb Preise akzeptieren, die sie sonst nicht akzeptieren würden. Im Bestand muss zunehmend auf das Thema Nachhaltigkeit geachtet werden, aber auch da dürfte es attraktive Möglichkeiten geben. Denn wer jetzt verkauft, der hat den Druck, verkaufen zu müssen. Auf dem Grundstücksmarkt steht möglicherweise eine Bewegung der Preise nach unten noch aus, da dieser Markt etwas träge reagiert.

Bei der Betrachtung der Wohnungsmieten muss unterschieden werden nach Neubau, der wenig reguliert ist, und nach Bestandsmarkt, der hohen Auflagen unterliegt. Im Bestand werden die Mieten wegen der Regularien nicht so stark steigen; allerdings klettern die Umlagen für energetische Modernisierungen deutlich, da bis 2045 in Sachen Klimaneutralität noch viel passieren muss. Für Neubaumieter sind diese Umlagen kein Thema. Wir erwarten dennoch, dass die Mieten für Neubauwohnungen sehr kräftig steigen. Trotzdem sind aktuell die Preisschwellen oftmals noch nicht erreicht, bei der sich für die meisten Bauträger der Start eines Neubaus für den Mietermarkt wieder lohnt.

Unter dem Strich wird es für die Mieter in Deutschland in den nächsten Jahren also deutlich teurer. Darin liegt gesellschaftlicher Sprengstoff. Denn die Lage am Wohnungsmarkt wird sich in den nächsten Jahren weiter zuspitzen. Die Preisspirale für Mieter dreht sich weiter nach oben.

Auch der – sinnvolle – Ansatz, Bestandsmieter in großen Wohnungen zum Umzug in kleinere Wohnungen zu motivieren und dadurch für mehr Durchlässigkeit innerhalb des Wohnungsmarktes zu sorgen, wird kaum nennenswerte Entlastung bringen. Die menschliche Komponente ist nicht zu unterschätzen. Dennoch sollte es bei der Bekämpfung der Wohnungsnot keine Denkverbote geben. So gibt es beispielsweise noch Potenzial bei Aufstockungen von Gebäuden und Nachverdichtung, wir müssen die Auflagen für den Neubau überprüfen, mehr seriell bauen sowie das Ausweisen von Bauland sowie die Zeiträume zur Bewilligung von Baugenehmigungen beschleunigen und digitalisieren. Aber die Grundstückspreise gepaart mit den hohen Finanzierungskosten sind so hoch, dass das Bauen bezahlbarer Wohnungen für den freien Markt derzeit kaum attraktiv ist. Vielleicht sollten wir auch – zeitlich begrenzt – über mehr staatliche Förderung nachdenken, denn es ist eine Krux: Wir bekommen sehr viele Bauprojekte auf den Tisch, und die rechnen sich jetzt einfach nicht. Die Bauindustrie ist nicht so durchdigitalisiert, wie sie gerne wäre. Gleichzeitig sind die Auflagen enorm hoch und steigen noch, und Deutschland braucht schnell neue Wohnungen. Wir werden also irgendwo Kompromisse machen müssen.

Wer jetzt investieren will, muss genau hinschauen. Nicht richtig wäre es, generell vom Kauf alter Bestandsgebäude abzusehen. Auch nicht im Wohnsegment. Allerdings macht Neubau oder sehr gut sanierter Bestand Sinn, wenn man wenig Probleme haben will. In der Regel ist die bauliche Qualität gut, die Gebäude sind meist nachhaltiger und die Mieten weniger reguliert. Zudem gelten hier noch Gewährleistungen. Von unsanierten Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern ist eher abzuraten. Es sei denn, Sie können sich darauf verlassen, dass sich auch Ihre Nachbarn eine Sanierung leisten können.

 

Hinweis: Der Text ist eine leicht geänderte und gekürzte Fassung des Interviews von Carsten Herz und Julian Trauthig, das am 14. April 2023 im Handelsblatt erschien.

Ansprechpartner: Sven Carstensen, Vorstand bei bulwiengesa, carstensen@bulwiengesa.de

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